Um herauszufinden, welche Akteure zu beteiligen sind, kann der Akteursgruppenansatz nach Kulke Unterstützung leisten.

Elmar Kulke hat mit seinem Akteursgruppenansatz aus 1992 die Vielfalt der auf Standorte einwirkenden Einflussgrößen systematisiert und dafür eine Untergliederung in die Akteursgruppen der Anbieter, Nachfrager sowie Planer und Politiker vorgenommen, welche in weitere Teilgruppen untergliedert werden können. Welche Teilgruppen an einem Standort tatsächlich vertreten sind, hängt von den örtlichen Rahmenbedingungen ab. In der Gruppe der Anbieter ist eine Aufteilung nach den verschiedenen Wirtschaftssektoren sinnvoll, woraus sich Unterschiede in der Relevanz der Akteursgruppenvertreter aus der geographischen Lage und Ausstattung für einzelne Städte ergeben: Im ländlich geprägten Raum hat der primäre Sektor, z.B. die Landwirtschaft, eine wesentlich höhere Bedeutung als in urbanen Zentren und Großstädten, wo mit zunehmender Knappheit des Produktionsfaktors „Boden“ der Tertiärsektor am stärksten vertreten ist. Beabsichtigt man jedoch einen Imagewechsel von der ländlichen Idylle hin zu mehr Urbanität, so kann man gezielt andere Akteursgruppen schwerpunktmäßig mit einbeziehen. Somit bekommt die Markenidentität der zu schaffenden Stadtmarke von Anfang an eine hohe Bedeutung. Legt man den Wert darauf, mit der Marke die vorhandene Urbanität mehr in den Fokus zu rücken und vergisst dabei die Bedürfnisse einer anderen Akteursgruppe, zum Beispiel die der Nachfrager, die sich vielleicht genau aufgrund des ländlichen Charakters für einen Standort entschieden haben, kann dies zu einem Identifikationsverlust mit der Marke bei den Nachfragern führen. Daraus wird auch wieder die Komplexität einer Stadtmarke und der auf sie einwirkenden Einflussfaktoren deutlich.

Sowohl einzelne Akteure als auch die Wirtschaftssektoren, aus denen sie stammen, sind miteinander verflochten, was die folgende Abbildung verdeutlichen soll.

Aus der Abbildung wird ebenfalls deutlich, dass die verschiedenen Akteursgruppen einen Standort auf unterschiedliche Art und Weise prägen und damit auch die Stadtmarke beeinflussen.

Akteursgruppe der Anbieter (Unternehmen/Betriebe)

Sie prägen einen Standort in Bezug auf seine wirtschaftliche Struktur und Dynamik. Unternehmen stellen Arbeitsplätze zur Verfügung und bestimmen dadurch auch die Attraktivität der Stadt als Arbeitsort. Durch ihre Steuerzahlungen sichern sie die finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt und ermöglichen kommunale Maßnahmen sowie Investitionen für eine zukunftsfähige Infrastruktur. Unternehmen und Betriebe, vor allem im Handels- bzw. Dienstleistungssektor, sind ein Indikator für die Attraktivität einer Stadt, da ein Ort mit hoher Leerstandsquote und homogenem Einzelhandelsbesatz nach außen unattraktiv wirkt. Unternehmen können auch als prägende Assoziation einer Stadt wirken, indem sie durch ihren Standort einer eher unbekannten markenlosen Stadt ein Image verleihen. Hierunter fallen Unternehmen, Existenzgründer, Einzelhändler, Dienstleister, Gastronomen, Hoteliers sowie Kammern, Verbände und die Wirtschaftsförderung.

Akteursgruppe der Nachfrager/Konsumenten

Nachfrager stellen das Arbeitnehmerpotenzial von Unternehmen dar und beeinflussen somit die Attraktivität einer Stadt als Unternehmens- bzw. Wirtschaftsstandort. Konsumenten sind das Umsatzpotenzial von Händlern und Dienstleistern, die im B-2-C Bereich tätig sind. Ein hoher Einzelhandelsumsatz beeinflusst die Vermarktungschancen für leerstehende Immobilien. Die Einwohner einer Stadt bilden die Persönlichkeitsmerkmale und damit auch den Charakter einer Stadt. Sie bestimmen, ob eine Stadt beispielsweise als freundlich, offen, gastfreundlich, vielfältig, multikulturell oder hilfsbereit wahrgenommen wird. Eigentümer und Mieter tragen im Wesentlichen zum Stadtbild bei durch die Pflege und Instandhaltung ihrer Häuser, Gärten usw.. Sie führen Traditionen fort und bilden durch ihr gesellschaftliches und ehrenamtliches Engagement den Gemeinwohlfaktor, welcher die Wohnortwahl anderer Akteursgruppenvertreter beeinflusst. In dieser Akteursgruppe sind die Stadt- und Umlandbevölkerung, Touristen, Geschäftsreisende und Besucher vertreten.

Akteursgruppe der Planer/Politiker

Die Planer als Akteure sollten durch die Verwaltung ersetzt werden. Städtische Mitarbeiter und Politiker legen durch die Vorgabe räumlicher Zielvorstellungen den Grundstein für städtebauliche Entwicklung und damit die visuelle Attraktivität einer Stadt für die beiden anderen Akteursgruppen. Sie entscheiden über die Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit der kommunalen Infrastruktur. Wohnbauland und Gewerbeflächen für weitere Gewerbeansiedlungen und Zuzüge werden durch ihre Entscheidungen ermöglicht. Vor allem für die Akteursgruppe der Unternehmen ist eine verlässliche Politik von besonderer Bedeutung bei der Standortwahl. Ebenso wie die Wirtschaftsfreundlichkeit eines Standortes, welche mittels der zur Verfügung stehenden raumpolitischen Instrumente beeinflusst wird.

Die Mannigfaltigkeit der Akteursgruppen einer Stadt gibt einen Ausblick darauf, wie vielfältig und diffizil die Zielgruppenansprache mit der Marke schlussendlich sein wird. Die Akteursgruppen der Anbieter und Nachfrager setzen zwar unterschiedliche Schwerpunkte bei der Wahl ihres Standortes und legen dafür eigene Bewertungsmessstäbe zugrunde, jedoch erhöht eine Beteiligung der Akteursgruppen und die Analyse der individuellen Anforderungen an eine Stadt die Chance eine klare Markenidentität zu schaffen, mithilfe derer eine zielgruppenorientierte Ansprache möglich wird. Eine Stadtmarke sollte die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort auf den Punkt bringen und mögliche Erlebnisse herausstellen. Aufgrund dessen sollten Vertreter aller Akteursgruppen in den Prozess einbezogen werden, da sie den Standort prägen und die Marke erlebbar machen. „Marke erleben“ sollte authentisch das widerspiegeln, was die Marke auch verspricht.

Akteursgruppen können Standorte auf individuelle Art und Weise nachhaltig prägen: Die Kohle- und Stahlindustrie hat über viele Jahre hinweg das Bild der Metropolregion Ruhr bestimmt. Noch heute haben viele Menschen die Vorstellung, dass das Ruhrgebiet stark industriell geprägt ist und von einer grauen Dunstwolke bedeckt wird. Ganz im Gegenteil: Mittlerweile besticht diese Region durch zahlreiche Naherholungsbereiche und sieht aus der Vogelperspektive wie eine „grüne Oase“ aus. Zwischen den einzelnen Akteursgruppen bestehen weitere Verflechtungen, die zu untergeordneten Standortwirkungen führen können. Die Kohle- und Stahlindustrie hat durch ihre Aktivitäten sowohl auf der Anbieter- als auch der Nachfrageseite die Ansiedlung von Menschen aus zahlreichen Nationen in der Metropolregion Ruhr mit sich gebracht, wodurch ein Miteinander vielfältiger Kulturen entstand. Diese Nationenvielfalt lockte durch ein verändertes Nachfrageverhalten auf der Konsumentenseite neue Unternehmen und Betriebe an, die die Wirtschaftsstruktur im Ruhrgebiet bis heute prägen. Daraus wird deutlich, dass der Akteursgruppenansatz nach Kulke neben der gezielten Analyse einzelwirtschaftlicher Aspekte auch Querschnittsbetrachtungen ermöglicht, welche bei der Auswahl der zu beteiligenden Akteure an der Markenbildung und -führung für eine Stadt helfen können.