Zu Beginn des Prozesses zur Bildung einer Stadtmarke steht die Leitfrage: „Welche Gegebenheiten machen die Stadt attraktiv und was trägt am meisten zur Attraktivität der Stadt bei?“
Nicht immer sind die mit einer Stadt verbundenen Assoziationen auch gleichzeitig die Treiber der Attraktivität einer Stadt. Daraus resultiert die Schlussfolgerung, dass man zunächst einmal herausfinden muss, welche Merkmale ursächlich für das positive Image einer Stadt sind. Diese Markentreiber können mithilfe einer umfangreichen Markenanalyse identifiziert werden. Da die Markenführung ein strategischer Prozess ist, schließt sich an die Analyse der Stadtmarke die Markengestaltung an, im Rahmen derer die Festlegung der individuellen Markenidentität erfolgt.
Jede Stadt, die eine strategische Marke bilden und führen möchte, muss sich die Frage stellen, wofür die eigene Stadt steht und was die Stadtmarke stark machen kann. Auch werden Fragen aufgeworfen, wie sich die eigene Stadt von anderen Städten unterscheidet und was Einwohner, Unternehmen, Arbeitnehmer und Gäste an der eigenen Stadt besonders schätzen. Um sich der Beantwortung dieser Fragen anzunähern, ist eine umfassende Analyse der eigenen Leistungen und deren Außenwirkung von großer Bedeutung. Nur wer seine spezifischen Vorzüge und Alleinstellungsmerkmale kennt und diese geschickt „im Schaufenster“ zu positionieren weiß, wird dauerhaft eine Marke erfolgreich führen können.
Die Erhebung der externen Perspektive hinsichtlich vorhandener Wirkungsursachen einer Stadtmarke kann mittels qualitativer und quantitativer Instrumente aus der Marktforschung erfolgen. Ziel ist es, eine repräsentative Datenbasis für die Gestaltung der Stadtmarke zu erhalten. Im Rahmen von Workshops können mit Vertretern der von Kulke definierten Akteursgruppen Wirkungsursachen und Wirkungen z.B. durch die Freelisting-Methode herausgearbeitet werden. Diese Items können als Grundlage zur Erstellung von Fragebögen zur quantitativen Befragung der Allgemeinheit dienen, da sie einen umfassenderen Eindruck von der Markenwirkung der Stadt ermöglichen.
Da Städte meist über eine lange Historie verfügen, können auch wichtige Ereignisse, Personen oder Legenden aus der Geschichte prägend für die Wirkung einer Stadt sein. Um die Ursachen für solch prägende Sachverhalte herauszufinden, eignen sich Informationen aus dem Stadtarchiv oder die Befragung älterer Einwohner.
Aufgabe und Ziel der Markenanalyse ist es, die Ursachen für den Erfolg und das positive Image einer Marke exakt zu identifizieren. Die mit einer Stadt verbundenen positiven Assoziationen sind nicht immer ursächlich für das Markenbild. Nur durch eine exakte Analyse der Merkmale, welche für das positive Image einer Stadtmarke verantwortlich sind, besteht die Möglichkeit die Markentreiber durch zielgerichtete Maßnahmen positiv zu verstärken und für den nachhaltigen Erfolg der Stadtmarke zu nutzen. So liegt es nahe, im Rahmen der Markenanalyse nicht nur imagebildende Assoziationen abzufragen, sondern auch konkrete Leistungen der Stadt bewerten zu lassen. Der Vergleich beider Bewertungen lässt dann einen Schluss auf die vorhandenen Markentreiber zu. Hieraus kann die konkrete Markenarchitektur entwickelt werden, anhand derer im Rahmen der Markenstrategieentwicklung und Masterplanerstellung die weitere Vorgehensweise strategisch geplant wird.
Eine Stadtmarke soll markante Alleinstellungsmerkmale einer Stadt ins „Schaufenster“ stellen und nach außen transportieren. Ziel des Markenbildungsprozesses ist die Erhaltung der Komplexität und Vielfältigkeit einer Stadt trotz notwendiger Reduktion auf einen Markenkern. Durch die Konzentration der Markenidentität wird die Marke handhabbar gemacht und kann mittels klarer und objektiv verständlicher Markenbotschaften sowohl intern als auch extern ihre Wirkung entfalten.
Um die konkrete Architektur der Stadtmarke zu entwickeln und der Marke eine Gestalt zu verleihen, werden die Ergebnisse aus den Workshops mit den Akteursgruppenvertretern sowie die Ergebnisse der quantitativen Befragung abgeglichen. Wichtig ist, dass die Markenwerte nicht zu abstrakt formuliert werden. Zwar wünscht man sich mit der Markenbildung eine Reduzierung auf einen Markenkern und dadurch die bessere Handhabbarkeit der komplexen Markenstruktur einer Stadt. Dieser Reduktionsprozess darf jedoch nicht zu Attributen führen, die so allgemeingültig (z.B. „vielfältig“ oder „zukunftsorientiert“) sind, dass sie die Anspruchsgruppen wieder nicht erreichen. Wenn man es schafft, die Wirkungsursachen für die Markenidentität sprachlich auf den Punkt zu bringen, erreicht man auch die gewünschten Zielgruppen mit der Marke und bezweckt, dass sich diese mit der Marke identifizieren können und sie als authentisch empfinden.
Da die Markenarchitektur einer Stadt ein facettenreiches Gebilde ist, bietet sich die Nutzung eines identitätsbasierten Markenkernmodells als strategisches und operatives Managementinstrument für eine Stadtmarke an. Ein Markenkernmodell bezieht sich auf das, was die Marke zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist, kann aber auch mit weiteren Aspekten, z.B. Zielen und Wettbewerbsabgrenzungsmerkmalen erweitert werden.
So bietet sich für eine Stadtmarke ein Markenmodell in Anlehnung an das Markensteuerrad nach Esch an, welches die Markenidentität in eine emotionale und eine rationale Seite aufteilt. Auf der rationalen Seite werden die Fakten dargestellt: Was leistet die Marke? Welche Eigenschaften weist sie auf? Emotional werden sowohl die Markenpersönlichkeit als auch das Bild von einer Marke und deren Selbstdarstellung aufgezeigt. Die folgende Abbildung soll das Modell veranschaulichen.
Es können z.B. Mindestwerte definiert oder alle Merkmale ausgewählt werden, deren Bewertung im obersten Drittel/Viertel bei den Ergebnissen der durchgeführten Befragungen liegen. Nachdem man diese Punkte akteursgruppenspezifisch herausgezogen hat, werden Übereinstimmungen und Abweichungen zwischen den einzelnen Akteursgruppen gesucht. Übereinstimmungen werden unmittelbar für die Markengestaltung übernommen und Abweichungen innerhalb des Marken-Kernteams diskutiert. Bewertet man diese Aspekte als elementar für die Akteursgruppe, übernimmt man die Merkmale ebenfalls in die Markenarchitektur.
So könnten sich z.B. folgende übergeordneten Merkmale der Markenidentität ergeben:
- Wirtschaftliches Wachstumspotenzial
- Vertrauensvolles Miteinander
- Zuverlässige Politik
- Attraktives Freizeit- und Naherholungsangebot
- Facettenreicher Kulturstandort
- Familienfreundliches und sicheres Umfeld
- Einkaufen in entspannter Atmosphäre
- Bezahlbares Wohnen
- Ländlich charmant, sauber und schick
Diese Merkmale dienen als „Überschriften“, denen die individuellen Leistungen zugeordnet werden können. Aus der Markenidentität und den Einzelbewertungsaspekten können die Felder der Markeneigenschaften, Markenleistungen und der Markenpesönlichkeit gefüllt werden.